Frau sein
- die COACHIN

- 10. Juli
- 3 Min. Lesezeit

„Ja, des müssen's als Frau einmal verdienen, was Ihnen später die Kinderbetreuung kosten wird. Rentabel ist des net“.
Uff, das hat gesessen. Der Vorlesungssaal ist erstarrt und man hört keinen Mucks unter den Studenten. Da sitzen sie, die Betriebswirte von morgen, Schulter an Schulter im überfüllten Raum des Heizhauses und starren betreten auf ihre Notizen. Unter Ihnen auch mein 20-jähriges ICH, das sich damals geschworen hat es anders zu machen. Nicht unter diesem „Pay Gap“, wie der Professor es damals schon im Kurs „Einführung in die Mikroökonomie“ betitelte, zu leiden. Keinen schlecht bezahlten Frauenjob anzunehmen, um dann 5 Jahre später aus der Babypause nicht mehr zurückzukommen. Keine Hausfrau und Mutter zu sein, die zu 100% abhängig von ihrem Mann ist. Nein, all das wollte ich nicht werden. Und als ich damals den Professor diesen Satz sagen hörte, habe ich mir innerlich geschworen immer genauso gut zu sein wie alle Männer, wenn nicht besser. Und genau das war wohl mein größter Fehler.
Ich erinnere mich, dass ich in meinem Job als Unternehmensberaterin angehalten wurde nur knielange Röcke zu tragen und keinen roten Nagellack. Das war die Zeit, in der ich mir mein erstes Tattoo stechen ließ. Am linken Handgelenk - schön sichtbar. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich zu keiner Zeit meiner beruflichen Tätigkeit dem Bild eines Beraters entsprochen habe. Ich war unsicher, verängstigt und habe das nur zu oft gezeigt. Ich denke ich habe keinen einzigen Chef, vor dem ich nicht geweint habe. Manchmal sogar vor Kunden. Oder auch beides zur gleichen Zeit. Das war mit Sicherheit alles andere als professionell. Aber zumindest war es echt. Es war zu 100% echt.
Ich habe lange versucht diesem Professor der Mikroökonomie das Gegenteil zu beweisen. So sehr, dass ich meinen damals 1-Jährigen Sohn in eine Fremdbetreuung gegeben habe, nur um möglichst schnell wieder arbeiten zu gehen. Ja ich weiß, Fremdbetreuung ja oder nein, ist ein heikles Thema. Das darf jeder auch gerne für sich selbst entscheiden. Ich sage nur, für UNS hat es eben nicht gepasst. Für meinen Sohn nicht und für mich auch nicht. Ich habe es trotzdem getan. Weil es ja alle tun. Und weil ich es schaffen wollte, den Spagat zwischen Beruf und Kind. Sollte mein Sohn das irgendwann mal lesen: Es tut mir wirklich leid! Ich denke es war bisher mein größter Fehler. Nicht weil die Fremdbetreuung so schlimm war, sondern weil ich gefühlt habe es ist falsch und es trotzdem getan habe. Kopf gegen Herz. Herz verliert.
Seit Corona habe ich beide Kinder zu Hause. Ich bin also Hausfrau und Mutter. Ich bin all das, was ich damals auf der Universität belächelt habe. Ich bin all das und mehr.
Heute sage ich meinem 20-Jährigen ICH, dass der Professor keine Ahnung hatte. Dass noch immer Authentizität und Integrität mehr auf meiner Werteliste zählen, als das der Jobtitel auf der Visitenkarte. Dass ich in einer Welt leben will, in der Frauen nicht die besseren Männer sind, sondern in der wir alle auf Augenhöhe nebeneinanderstehen und uns die Hände reichen. In der es ebenso normal ist, dass ein Mann den Kinderwagen schiebt, wie eine Frau. Eine Welt, in der Frauen auch in Führungspositionen fraulich sein dürfen, gefühlsecht, roh und wild. In der wir uns von allen Schubladen und Etiketten befreien und uns dem wilden Drang lauthals zu Schreien hingeben.
In diesem Sinne: brülle laut, brülle wild!








Kommentare